Schulterschmerzen

Die eingefrorene Schulter (Frozen shoulder / Kapsulitis)

Man nennt das Krankheitsbild der eingefrorenen Schulter fachsprachlich ‚adhäsive Kapsulitis‘oder auch ‚frozen shoulder‘. Allgemeinsprachlich wird der Begriff Schultersteife verwendet.

1975 beschrieb Reeves die Frozen Shoulder als spontan eintretende Erkrankung, gekennzeichnet durch plötzlich auftretende Schmerzen ohne jeglichen kausalen Zusammenhang mit Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit in allen Richtungen (Reeves 1975). Es wird eine primäre von einer sekundären Frozen Shoulder unterschieden. Bei etwa 20 % der Patienten tritt die Frozen Shoulder beidseitig auf. Die Inzidenz der Frozen Shoulder liegt in der Normalbevölkerung zwischen 2 und 5 %.

Die Frozen Shoulder verläuft nach Reeves als selbstlimitierende Erkrankung über einen durchschnittlichen Zeitraum bis zu zwei Jahren:

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Stadium 1 (Freezing Phase) – Schmerz:

  • Dauer: 10 bis 36 Wochen
  • Zunehmende Schmerzen, vorwiegend Nachtschmerz
  • Zunehmende Bewegungseinschränkungen

Stadium 2 (Frozen Phase) – Stiffness:

  • Dauer: 4 bis 12 Monate
  • Schmerzen gehen langsam zurück
  • Bewegungseinschränkungen nehmen weiterhin zu
  • Inaktivitätsatrophie

Stadium 3 (Thawing Phase) – Recovery:

  • Dauer: fünf Monate bis zwei Jahre
  • Schmerzen verschwinden
  • Beweglichkeit kommt spontan zurück

Die Ätiologie der primären oder idiopathischen Frozen Shoulder ist unbekannt. Sie tritt häufiger bei Frauen zwischen 45 und 60 Jahren in und nach der Menopause auf; dies lässt auf hormonelle Einflüsse schliessen. Die Erkrankung findet sich häufig bei Patienten beiderlei Geschlechts mit

  • Diabetes mellitus
  • Schilddrüsenerkrankungen
  • Fettstoffwechselstörungen
  • Morbus Parkinson
  • und nach Myokardinfarkt

Die Inzidenz für das gemeinsame Auftreten mit Diabetes mellitus wird zwischen 10 %und 30 % angegeben. Die Häufung des Morbus Dupuytren bei Patienten mit Frozen Shoulder mit einer Inzidenz von 20 % bis 50 % sowie ein vermehrtes Auftreten beim Morbus Sudeck lässt eine systemische Erkrankung vermuten. Gestützt wird diese These durch die dem Morbus Dupuytren ähnlichen histologischen Untersuchungsergebnisse der Gelenkkapselbei der Frozen Shoulder. Bei Patienten mit Frozen Shoulder und Diabetes mellitus besteht eine Inzidenz des Morbus Dupuytren von 72 %.

Der Einfluss einer HLA-B27-seropositiven Autoimmunerkrankung auf die Entstehung der Frozen Shoulder ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass eine autoimmune Reaktion verantwortlich sein könnte. Dabei greift das Immunsystem, das normalerweise die Abwehr von Infektionen übernimmt, das körpereigene Gewebe an. Das angegriffene Gewebe reagiert mit einer heftigen Entzündungsreaktion. Auch eine genetische Prädisposition wird vermutet.

Hervorgerufen wird die Schultersteife durch eine Entzündung der Gelenkinnenhaut (Gelenkkapsel), die normalerweise den Gelenkkopf lose umgibt. Durch die schmerzhafte Entzündung kommt es zu einer zunehmenden  Verklebung von Kapselhaut und Gelenkkopf. In der Folge steift das Schultergelenk immer mehr ein und verursacht starke Schmerzen. Das Gelenk kann plötzlich und unerwartet in der Bewegung einfrieren. Wenn eine Kapsulitis ohne erkennbaren Grund auftritt spricht man von einer primären Frozen shoulder. Eine Kapsulitis kann auch nach einem Unfall, einem Bruch oder nach einer Operation beginnen, dann spricht man von einer sekundären Frozen Shoulder.

Die Kapsulitis kann nach jedweder Operation, also auch solchen, die nicht die Schulter betreffen. Es sind sogar Fälle bekannt, in denen die Schultersteife in der Erholungsphase nach einem Herzinfarkt aufgetreten ist, oder nach längerer intensivmedizinischer Behandlung.

Die adhäsive Kapsulitis steht oftmals in einem Zusammenhang mit anderen Erkrankungen der Schulter. Ein Sehnenriss, eine Schleimbeutelentzündung oder das Impingement-Syndrom (Engpasssyndrom) sind hier vorrangig zu nennen. Es besteht die Annahme, dass die ursprüngliche Erkrankung zu der chronischen Erkrankung führen kann. Bevor es zu einer Behandlung dieser ursprünglichen Erkrankung kommt, muss die Kapsulitis behandelt werden. Ansonsten führt der Schmerz dazu, dass der Patient seine Schulter weniger bewegt und sich die Steife der Schulter verstärkt.

Zervikale Brachialgien führen über sympathische Reflexmechanismen zur sekundären Schultersteife. Besonders Bandscheibenvorfälle auf Höhe des 5. und 6. Halswirbelkörpers oder Arthrosen der Halswirbelkörper mit Einengung der Nervenwurzel C5 – C6 gehen mit einer schmerzhaften Schultersteife einher und täuschen ein Schulterleiden vor, obwohl die Ursache in der Halswirbelsäule verursacht wird.

Die Kapsulitis manifestiert sich in einer beträchtlichen Bewegungseinschränkung der Schulter, verbunden mit einer starken Schmerzbildung. Zu Beginn der Erkrankung stehen Schulterschmerzen mit Ausstrahlung in den Arm und endgradige Bewegungseinschränkungen im Vordergrund. DieSchmerzen können progredient ansteigen oder hochakut einsetzten.Die hochakut beginnende Schmerzsymptomatik geht häufig mit einem prolongierten Krankheitsverlauf einher. Die Bewegungseinschränkung beginnt regelmässig mit einer schmerzhaften Einschränkung der Innenrotation. Der Patient kann mit dem betroffenen Arm nicht mehr schmerzfrei zwischen die Schulterblätter gelangen, was meist nicht selbst wahrgenommen wird. Auf der betroffenen Seite zu schlafen ist schmerzhaft. Die Diagnose wird anhand der Anamnese (Krankengeschichte) und der klinischen Untersuchung gestellt.

Dabei werden bildgebende Verfahren zur Bestätigung herangezogen. Durch Röntgenaufnahmen können andere schwerwiegende Erkrankungen ausgeschlossen werden. Bei der Arthro-MRT-Untersuchung zeigt sich eine Verdickung der Gelenkkapsel im Rotatorenintervall und des Lig. coracohumerale. Die MRT-Untersuchung mit i. v. Gadoliniuminjektion kann die hypervaskularisierte Synovia und eine Hypervaskularisation im Rotatorenintervall zur Darstellung bringen. Erst im späteren Verlauf der Erkrankung finden sich eine signifikante Verdickung der Gelenkkapsel.

Eine deutliche Beschwerdebesserung kann durch die Gabe von Kortikosteroiden (per os oder intraartikulär) innerhalb der ersten sechs Wochen nach Therapiebeginn erzielt werden, ganz im Gegensatz zur fast wirkungslosen Einnahme von nichtsteroidalen Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Voltaren etc.) Auch N.-suprascpapularis-Blockaden führen schon innerhalb von vier Wochenzu einer deutlichen Beschwerdebesserung.

Im eigenen Vorgehen bevorzugen wir eine orale Cortisonstufentherapie als Erstmaßnahme:

5 Tage 40 mg Prednisolon

5 Tage 30 mg Prednisolon

5 Tage 20 mg Prednisolon

5 Tage 10 mg Prednisolon

5 Tage   5 mg Prednisolon

Der Patient nimmt immer morgens nach dem Frühstück seine Tabletten ein. Pantoprazol 20 / 40 mg werden als Säureblocker dazu verordnet. Die intraartikuäre Injektiostherapie von Cortison erfolgt bei hochschmerzhaften Zuständen, weil dabei auch eine lokale Lokalanästhesie beigemischt werden kann. Bei Diabetikern erfolgt die Cortisontherapie unter Einbindung des Hausarztes / Internisten.

Achtung: in den ersten zwei Wochen der Behandlung wird keine Physiotherapie durchgeführt, weil dies nur zu einem erneuten Aufflammen der Entzündung führen würde.

Die Physiotherapie beginnt erst nach Eintritt einer deutlichen Schmerzerleichterung.

Mobilisation unter Narkose

Greifen die konservativen Maßnahmen nur unzureichend, kann die Mobilisation des Schultergelenks in Narkose in Erwägung gezogen werden. Dabei wird das Schultergelenk mit dosierter Krafteinwirkung (Brisement moderée ) in der entsprechenden Technik bewegt, während der Patient narkotisiert ist. Die Dehnung der Gelenkkapsel führt zu einer Lösung der narbigen Verklebungen. Nicht immer wird durch diese Therapie der Heilungsprozess im Zusammenspiel mit den Maßnahmen der konservativen Therapie verkürzt, weswegen diese Technik nur noch selten angewendet wird.

Arthroskopisches Release

Dabei wird die Verklebung der Gelenkkapsel minimal-invasiv gelöst. Über winzige Schnitte erfolgt der Zugang zur Gelenkkapsel. Mithilfe einer Kamera und Spezialinstrumenten wird die Korrektur durchgeführt. Es werden die Kapselansätze an der Gelenkpfanne Schritt für Schritt vorsichtig durchtrennt, bis die Beweglichkeit des Oberarmkopfes frei wird. Man beginnt an der vorderen Kapsel, durchtrennt dann auch die verdickte untere Kapsel um anschließend auch die hintere Kapsel zu lösen. Im zweiten Schritt entfernt man mit Spezialinstrumenten die hoch entzündete Kapselschleimhaut um eine erneute Verklebung der Kapsel zu verhindern. Die anschließende Injektion eines Kortisonpräparats wirkt sich positiv auf postoperative Reizungen aus.

Der Krankengymnastik kommt sowohl während der konservativen Therapie als auch in der Rehabilitationsphase nach einem operativen Eingriff eine große Bedeutung zu. An erster Stelle steht die Wiedererlangung der Schmerzfreiheit. Zu Beginn der Krankengymnastischen Stunde kann durch Wärme oder Ultraschall die Muskulatur und das Gewebe auf die Dehnungsübungen optimal eingestimmt werden. Die Übungen sind dabei auf die Lockerung der Gelenkkapsel ausgerichtet. Durch manuelle Techniken und Traktion wird der Oberarmkopf gelöst und durch Querfriktionen die verhärtete Muskulatur entspannt. Dabei achtet der Therapeut darauf möglichst die Schmerzstufe zu senken.Erst wenn die Schmerzen in den Hintergrund treten kann die Physiotherapie an die Mobilisation der Schulter gehen.

Die Rehabilitation nach einem operativen Eingriff umfasst intensive, tägliche auszuführende Mobilisationsübungen. Mit dem Kraftaufbau kann vier bis sechs Wochen nach der Operation begonnen werden. Zusätzlich kann die Nutzung einer CPM- oder Bewegungsmaschine sinnvoll sein. Dabei wird der Arm passiv durchbewegt. Die maschinell gesteuerte Bewegung wirkt der wiederkehrenden Einsteifung, die durch Bildung von neuem Narbengewebe entstehen kann, entgegen. Nach etwa 6 Wochen liegt der Fokus der krankengymnastischen Übungen auf dem Muskelaufbau. Durch die Kräftigung der Muskulatur wird der Oberarmkopf in der Gelenkpfanne zentriert. Die Sehnen der Rotatorenmanschette können wieder reibungslos gleiten. Nach Abschluss der ambulanten Physiotherapie sollte der Patient das Dehnungsprogramm zuhause selbstständig fortführen, damit es nicht zu Rückschlägen kommt.